[08.10.2015] Wie die schleichende Pervertierung der Kompetenzen zur Normalität geworden ist
oder
Die Entmachtung der Demokratie

Von einem Leser aus Nonnweiler

Erin­nern Sie sich noch an die Sprech­chö­re: „Wir sind das Volk!“? Na klar er­in­nern Sie sich noch dar­an! Erin­nern Sie sich auch noch dar­an, in wel­chem Zu­sam­men­hang die­se Sprech­chö­re zu­stan­de ka­men? Na klar er­in­nern Sie sich noch dar­an: Das Volk, der Bür­ger, der Sou­ver­än for­der­te, dass end­lich das von der Po­li­tik um­zu­set­zen sei, was er, der Sou­ver­än, der Bür­ger, das Volk ent­schie­den hat­te. Das al­les ge­sch­ah in ei­nem an­geb­lich de­mo­kra­ti­schen Staat, der den Be­griff der De­mo­kra­tie auch noch im Na­men führ­te. Wir al­le wis­sen, wie es in Wirk­lich­keit mit der De­mo­kra­tie be­stellt war. Und, was hat das al­les mit uns zu tun? In­zwi­schen lei­der mehr, als man bei ober­fläch­li­cher Be­trach­tung mei­nen könn­te.

Neh­men wir das kon­kre­te Er­eig­nis. Die Saar­brü­cker Zei­tung ver­öf­fent­licht ei­ne Rand­no­tiz, die mit fol­gen­dem Satz be­ginnt: „Das US-Mi­li­tär und die Bun­des­wehr wol­len bis En­de No­vem­ber prü­fen, ob die Be­las­tung durch mi­li­tä­ri­schen Fluglärm über dem Saar­land re­du­ziert wer­den kann.“ Die Ar­beits­grup­pe Mi­li­tä­ri­scher Fluglärm ha­be da­zu im In­nen­mi­nis­te­ri­um ge­tagt und man sei übe­rein ge­kom­men, dass die Ve­tre­ter der US-Behör­den und der zu­stän­di­gen Bun­des­behör­den die The­ma­tik noch ein­mal prü­fen. Toll! Mal ab­ge­se­hen da­von, dass die­se Ar­beits­grup­pe zwei­mal im Jahr tagt und das schon seit Jah­ren, die dies­ma­li­ge Zu­sam­men­kunft al­so über­haupt nichts Be­son­de­res war, neh­men wir es in­zwi­schen als Selbst­ver­ständ­lich­keit hin, dass das US-Mi­li­tär, denn nur die­se „Behör­de“ al­ler ame­ri­ka­ni­schen Behör­den war an­we­send, und das deut­sche Mi­li­tär prü­fen, ob es ih­nen in den Kram passt, Lärm zu ver­mei­den. Der In­nen­mi­nis­ter des Saar­lan­des, al­so der Be­auf­trag­te des Sou­ver­än, wird mit der Be­mer­kung nach Hau­se ge­schickt, er be­kom­me dann Be­scheid, wie es wei­ter­geht.

Hal­lo? Mer­ken wir ei­gent­lich noch, wie sich die De­mo­kra­tie ver­ab­schie­det? Wir sind in Frie­dens­zei­ten. Und in de­nen hat das Mi­li­tär sich in der Aus­ge­stal­tung sei­nes Übungs­be­dürf­nis­ses nach den in Wahr­heit Zustän­di­gen zu rich­ten und das ist u. a. der In­nen­mi­nis­ter des Saar­lan­des. Auch wenn sei­ne Kom­pe­tenz da­hin­ge­hend ein­ge­schränkt ist, dass Ber­lin die end­gül­ti­ge Ent­schei­dungs­ge­walt hat. Aber auch hier soll­ten wir uns vor Au­gen führen, dass nicht das Mi­li­tär in Ber­lin an den Schalt­stel­len der Macht sitzt. Das Mi­li­tär darf al­len­falls prü­fen, wie es Ent­schei­dun­gen des Sou­ver­än um­zu­set­zen hat, nicht ob es das über­haupt möch­te. Wä­re das nicht so, be­fän­den wir uns in ei­ner Mi­li­tär­dik­ta­tur. So, wie das Gan­ze in­zwi­schen wi­der­spruchs­los hin­ge­nom­men wird, schei­nen wir auf dem bes­ten We­ge da­hin. US-Mi­li­tär ent­schei­det, bun­des­deut­sches Mi­li­tär ent­schei­det, Po­li­ti­ker ha­ben die­se Ent­schei­dun­gen de­mü­tig an­zu­neh­men. De­mo­kra­ti­scher Sand­kas­ten in Rein­kul­tur.

Die Ar­beits­grup­pen­ta­gun­gen ha­ben bis­her im­mer nur zu dem „Er­geb­nis“ ge­führt, dass das Mi­li­tär mit­ge­teilt hat, es sei eben nichts zu än­dern. Nicht ei­ne der als Ar­gu­ment vor­ge­führ­ten Aus­re­den, warum der Lärm an­geb­lich nicht zu re­du­zie­ren sei, ist stich­hal­tig. Das wis­sen wir, das weiß das Mi­li­tär und es hat das auch ein­geräumt. Trotz­dem än­dert es nichts. Weil es of­fen­sicht­lich der Mei­nung ist, es sei der maß­geb­li­che Ent­schei­dungs­trä­ger. Auch das US-ame­ri­ka­ni­sche Mi­li­tär ist die­ser An­sicht. In ei­nem Land, in dem es über­haupt nichts zu ent­schei­den hat.

Was aber das Al­ler­schlimms­te dar­an ist: Die ei­gent­li­chen Ent­schei­dungs­trä­ger in Ber­lin, die deut­schen Volks­ver­tre­ter ni­cken er­ge­ben freund­lich da­zu und las­sen sich schon in Frie­dens­zei­ten, das sei hier noch ein­mal be­tont, das Heft aus der Hand neh­men. Was wir al­so von den „Prü­fun­gen“ des sich selbst für al­lein zu­stän­dig er­klärt ha­ben­den Mi­li­tärs er­war­ten dür­fen, ist, soll­te nicht ein Wun­der ge­sche­hen, klar.

Quo vadis, Deutschland?