[28.12.2015] Die hohe Kunst der Diplomatie
oder
Wie man das Volk an der Nase herumführt

Von einem Leser aus Nonnweiler

Das Jahr neigt sich dem En­de und ei­gent­lich wä­re es an der Zeit, einen Rück­blick zu hal­ten. Doch demje­ni­gen, der nicht erst seit vor­ges­tern auf zwei Bei­nen her­um­läuft, brau­chen wir nicht ex­tra zu erzählen, dass von den Sonn­tags­re­den der Po­li­ti­ker, was die Re­du­zie­rung des mi­li­tä­ri­schen Flug­lär­mes an­geht, nichts üb­rig­ge­blie­ben ist. Und dass das Mi­li­tär es nach wie vor nicht ein­mal für nö­tig be­fin­det, schrift­li­che An­fra­gen, ob es denn zu ei­nem Dia­log mit dem ge­mei­nen Volk be­reit wä­re, we­nigs­tens mit ei­nem Ein­gangs­stem­pel zu ver­se­hen, wird auch nie­man­den mehr über­ra­schen. Wer Deutsch­land dient, hat für solch un­geis­ti­gen Fir­le­fanz nun wirk­lich kei­ne Zeit. Und schon gar nicht, wenn er Kom­mo­do­re in Büchel ist. Egal ob ehe­ma­lig oder jet­zig.

Um uns zu zei­gen, wel­che Stra­te­gie ver­folgt wird, er­le­ben wir im Au­gen­blick ein Meis­ter­stück der ho­hen Di­plo­ma­tie. Das BMVg hat an­geb­lich be­reits im Jah­re 2013 die AG Fluglärm Saar­land/RLP darü­ber in­for­miert, dass ei­ne Neu­ge­stal­tung des Übungs­luftrau­mes ge­plant ist. Die­se In­for­ma­ti­on ist lt. Aus­sa­ge des saar­län­di­schen In­nen­mi­nis­ters nicht bis zu ihm vor­ge­drun­gen. Da­mit trägt nie­mand die Schuld dafür, dass die Be­trof­fe­nen, näm­lich die, die werk­täg­lich un­ter der Ver­lär­mung zu lei­den ha­ben, vor für sie vollen­de­te Tat­sa­chen ge­stellt wer­den. Wer in die­sem Fall die Wahr­heit sagt, wird kaum her­aus­zu­be­kom­men sein. Wun­der­bar.

Es ist ein in­ter­na­tio­na­ler Ver­trag ge­schlos­sen wor­den, an dem nun nichts mehr geän­dert wer­den kann, schließ­lich hat während der Ein­spruchs­zeit – wenn es die denn je ge­ge­ben hat – nie­mand et­was da­ge­gen ge­habt.

Als Krö­nung die­ses Meis­ter­stückes, wie man das Volk am Na­sen­ring her­um­führt, be­strei­tet das BMVg „si­gni­fi­kan­te Aus­wir­kun­gen auf die mi­li­tä­ri­schen Nut­zungs­ra­ten in der Re­gi­on“. Aha. Das klingt zunächst be­ru­hi­gend. Nun kann man sich al­ler­dings treff­lich darü­ber strei­ten, was dar­un­ter zu ver­ste­hen ist. Ab wann sind Aus­wir­kun­gen si­gni­fi­kant, al­so auf Deutsch „in deut­li­cher Wei­se als er­heb­lich er­kenn­bar“ oder auch „zu groß, um noch als zu­fäl­lig gel­ten zu kön­nen“, wie der Du­den den Be­griff er­klärt? Ab 20%? Ab 30%? Ab 50% oder gar mehr? Wer legt das fest? Saar­län­di­sche Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te wie z. B. Frau Na­di­ne Schön, die durch den Lärm die Le­bens­qua­lität nicht si­gni­fi­kant be­ein­träch­tigt sieht?

Das Mi­li­tär? Das ist ja im­mer noch mit der de­tail­lier­ten Prü­fung be­schäf­tigt, ob Maß­nah­men mög­lich sind, die Be­las­tung zu re­du­zie­ren und ob Op­tio­nen denk­bar sind, den Lärm gleich­mäßi­ger zu ver­tei­len. Der­lei Prü­fun­gen ha­ben bis­her im­mer da­zu ge­führt, dass die Ant­wort lau­te­te: „Nein, es ist nicht mög­lich.“ Punkt. Es wird, um die Ver­dum­mung des Vol­kes auf die Spit­ze zu trei­ben, aber dafür ein Grund im­mer wie­der ger­ne ge­nannt: „Die all­ge­mei­ne Si­cher­heits­la­ge“. Und dar­an an­sch­ließend: „Die der Si­cher­heits­la­ge ge­schul­de­ten, not­wen­dig-kom­ple­xen Flug­manö­ver kön­nen nur in ei­nem großen Übungs­luftraum statt­fin­den.“

Wie gut, dass man in wei­ser Voraus­sicht, wie sich die Si­cher­heits­la­ge ent­wi­ckeln wird, einen sol­chen schon 2013 ge­plant und nun end­lich fer­tig ge­stellt hat. Dass es über der Nord­see so et­was schon längst gibt, ist in die­sem spe­zi­el­len Fal­le ir­re­le­vant. Über der Nord­see könn­ten in­ter­na­tio­na­le NATO-Part­ner zwar auch üben, so, wie sie das mit Vor­lie­be ja schon im­mer hier über dem Saar­land in si­gni­fi­kan­ter Wei­se ge­macht ha­ben, auch, als der Übungs­luftraum noch nicht in­ter­na­tio­nal war, aber das ist ja et­was völ­lig an­de­res.

Dass der neue, tol­le, schön große Luf­traum auf­grund sei­ner In­ter­na­tio­na­lität dann schon mal – selbst­ver­ständ­lich un­ter­halb der vom Mi­li­tär als si­gni­fi­kant ein­ge­schätz­ten Mehr­be­las­tung - öf­ter be­nutzt wer­den muss, als noch 2013 vor­her­seh­bar war, liegt in der Na­tur der Sa­che. Denn wo­zu soll­te er sonst ver­größert wor­den sein? Aber dafür kann ja nun wirk­lich nie­mand et­was. Außer die all­ge­mei­ne Si­cher­heits­la­ge. Oder der Rus­se, der vor der Tür steht. Oder die An­schlä­ge von Pa­ris, de­ret­we­gen Frank­reich sei­nen Teil der Po­ly­go­ne nun ge­schlos­sen hat, um sich bei Kampf­jet­lärm­ver­brei­tung end­lich über in­ter­na­tio­na­lem Ge­biet zu be­we­gen. Oder die Ka­ri­bu­her­den in Ka­na­da, die ge­schützt wer­den müs­sen.

Quint­es­senz: Wir wer­den ver­arscht. Mal wie­der und mit un­wi­der­spro­che­ner Leich­tig­keit. Ei­ne Fra­ge bleibt zum Schluss: Wann wer­den wir es end­lich mer­ken und Kon­se­quen­zen zie­hen? Wenn die si­gni­fi­kant höhe­re Krebs­ra­te im Saar­land oder der Herz­in­farkt uns er­reicht ha­ben? Dann dürf­te es wohl zu spät sein.